Zeitzeugen aus Oldisleben und Umgebung

Ingrid Mansel: Wir Bachwegskinder(1) Frankenhäuser Kindheitserlebnisse.

 Bomben um und über Frankenhausen

 Auch in Frankenhausen war die Bedrohung durch Luftangriffe allgegenwärtig, Fliegeralarm war mehrmals täglich und auch nachts angesagt. Das hieß, so schnell wie möglich die Schutzräume aufsuchen. Das waren für uns die Felsenkeller im Wüsten Kalktal, aber auch zu Füßen der Georgshöhe. Nicht selten schaffte man es aber nur in die eigenen Keller unterm Haus.

Nach der Zerstörung Nordhausens starrten wir mehrere Nächte lang gebannt auf den glutroten Flammenschein über dieser zerbombten Stadt, vermittelte das doch eine Vorstellung von der Gefahr, in der wir jederzeit schwebten. Und obwohl solch ein Inferno an uns vorüber ging, sollte es dennoch Frankenhäuser Familien hart treffen.

 

Mir haben sich besonders zwei Fliegerangriffe ins Gedächtnis eingegraben. In der Nacht vom 21. Januar 1944 wurde ich, wie sehr häufig, von meinen Eltern hektisch geweckt, schlaftrunken ließ ich über mich ergehen, dass sie mich anzogen, dann rannten wir los Richtung Wüstes Kalktal. Irgendwie ließ ich mich nicht von der Angst der Erwachsenen anstecken, bot doch der Himmel ein sagenhaftes Schauspiel, dessen Tragweite ich natürlich nicht erkannte. Die Flieger hatten wohl Hunderte Brandbomben gesetzt, die wir „Lichterbäume” nannten, die Nacht wurde dadurch taghell. Ich blieb daher des öfteren stehen, was meine Eltern natürlich noch mehr aufregte, und dann mit einem Mal schrie ich: „Ich habe einen Schuh verloren!”. Die drohende Gefährdung über uns nicht achtend, begann meine Mutter inmitten der Flut flüchtender Menschen nach dem Schuh zu suchen. Erstaunlich, was auch in äußerster Bedrängnis noch wichtig sein kann!

 

Die Erinnerung an den Morgen des 31. März 1945 erregt mich auch heute noch. Da wir zu dem Zeitpunkt des Ereignisses überhaupt nichts von der eigentlichen Tragik begriffen hatten, blieb mir besonders die Situation in meinem familiären Kreis im Gedächtnis haften. Das Geschehen, nämlich der Abwurf eines sogenannten Bomben”teppichs” bis vor die Tore der Stadt durch anglo-amerikanische Bomber, und das traurige Geschick dreier Menschen, die dabei umkamen, haben wir erst viel später realisiert. Nicht selten denke ich daran, wenn ich an dem Garten des Kinderheimes vorüber gehe, in welchem August Pätz mit seiner Tochter in dem kleinen Gärtnerhäuschen ums Leben kam, ebenso wie Willy Müller, welcher in seinem Schrebergarten gegenüber werkelte. Zum Glück für die Stadt gingen alle sonstigen Bomben im freien Feld, zumeist entlang der Wipper, die dadurch an vielen Stellen zum Überlaufen kam, nieder.

Um das folgende verständlich zu machen, muss ich erzählen, dass meine Mutter ein Mensch mit sehr positivem Einfluss auf andere war. Während der Kriegsjahre wirkte sie durch ihre Gelassenheit, hinter der sie ihre eigene Angst zu verbergen wusste, als ruhender Pol für die Nachbarinnen. Am Morgen dieses denkwürdigen Tages waren meine Mutti und ich allein im Haus, mein Vati war im Technikum, wo er arbeitete. Plötzlich begann unser Nachbarhund, der „Möppi“, zu jaulen, für uns war Achtung geboten, denn er hörte die Sirene früher als wir. So standen wir schon vor der Kellertür, als diese ertönte. Im gleichen Moment trat aber auch unsere Nachbarin mit ihrer kleinen Tochter zur tagsüber ja nie verschlossenen Haustür herein und stürzte meiner Mutter aufgeregt in die Arme. Diese drängte die sehr korpulente Dame in Richtung Kellertreppe, aber sie schien sich nicht bewegen zu können, vielmehr kippte sie nach hinten weg. Meine Mutter wusste vor Verzweifelung nicht was tun. Als nun wie durch Geisterhand die Haustüre aufging und unser Hund, welcher auf der Haustürtreppe gelegen hatte, durch den Flur geschoben wurde – dessen erstauntes Gesicht bleibt mir bis heute unvergesslich – fasste uns das Entsetzen. Ehe wir aber den Hergang begriffen, bewegte sich unsere Nachbarin, welche mit ihrer Tochter vor meiner Mutter in den Keller drängte, so ruckartig nach vorn, dass sie bald hinabgestürzt wäre. In der Aufregung hörten wir nicht einmal die vielen Detonationen außerhalb der Stadt, verursacht durch den Bombenabwurf. Der durch die Explosion der Bomben ausgelöste Luftdruck hatte die uns so erschreckende Situation ergeben. – Auch mein Vater erlebte im Technikum dieses Phänomen. Er konnte sich nämlich plötzlich nach dem Aufheulen der Sirenen, der Bombenabwurf und die Sirenenwarnung verliefen nahezu zeitgleich, plötzlich in den großen Räumen nicht mehr von der Stelle bewegen, er „schwamm förmlich in Luft“. Erst als die ersten der großen Fensterscheiben zu Bruch gingen, normalisierte sich alles wieder, und er begann fluchtartig das Gebäude zu verlassen.

Erst Tage später begriffen wir beim Anblick der Bombentrichterkette, dass dieser Luftangriff die Stadt Frankenhausen hätte auslöschen können.

 

 

„Es ist nichts Ungewöhnliches in jedes Menschen Leben, mit steigender Zahl gelebter Jahre vor allem den Anfang neu zu leben. Die Kindheit ist Beginn und Ende, Ziel aller Sehnsucht.”

(Günther Drommer)

 

 

Vorbemerkung:

Diese meine Kindheitserinnerungen sind besonders im Monat April immer wieder aktuell. Ich erlebte den Zusammenbruch des „Dritten Reiches” als 8jähriges Mädchen, und die angekündigten Besatzungsmächte wurden mit sehr gemischten Gefühlen erwartet: Angst vor Gewalttaten und Racheakten bei vielen, Aufatmen über das Ende des unsäglichen Krieges bei der Mehrheit der Bevölkerung. Mit diesen Aufzeichnungen möchte ich besonders der jungen Generation berichten, wie stark und wie lange Kriegseindrücke nachwirken können, und das, obwohl Bad Frankenhausen insgesamt sehr glimpflich „davongekommen” ist, da der geplante Bombenangriff sein Ziel verfehlt hatte und „nur” auf den Feldern zum Abwurf kam.

 

 

Die Amis kommen!

 

Am 11. April 1945 war für Bad Frankenhausen der Krieg faktisch vorbei. Wir lernten erst später in der Schule, dass dies eigentlich erst am 9. Mai besiegelt war. Meine dramatischste Erinnerung an die Besetzung unserer Stadt durch die US-Armee ist ein kurzes kriegerisches Nachspiel, das sich uns Frankenhäusern beim Auftauchen der ersten Panzer vor der Stadt bot. Bevor die von Nordwesten aus Richtung Sondershausen/Nordhausen einrückende Panzervorhut der Amerikaner ins Stadtgebiet einschwenken konnte, kam es zu einem Scharmützel mit 3 von Süden (über dem Botanischen Garten) angreifenden Kampfflugzeugen. (Eines davon wurde wohl auch getroffen und soll hinter dem Kyffhäuser abgestürzt sein). Diese hatten noch nicht begriffen, dass es nun Aus war. Die sich darauf in Sekunden entwickelnden Ereignisse haben sich mir, und sicherlich nicht nur mir, unauslöschlich ins Gedächtnis eingeschrieben. Fast die ”halbe” Stadt, auf jeden Fall wohl alle Bewohner unserer Straße, stand erwartungsvoll am nördlichen Stadteingang (Ecke Bachweg/Zinkestraße an der alten Gottesackerkirche). Alle schauten wie gebannt den nahenden Panzern mit dem Sternenbanner entgegen. Dann sah ich, wie sich plötzlich das Kanonenrohr des erstens Panzers nach oben richtete, hörte dann noch ein fürchterliches Knallen und Zischen, es „spritzte“ um mich herum, die Leute fielen um wie die Fliegen, und ich meinte, sie seien nun alle tot. Ich hatte ja zum Glück bisher noch keinerlei Erfahrung mit dem Krieg gemacht. Da ergriff mich eine gewaltige Angst und ich verfiel in Panik, riss mich von der Hand meiner Mutter los, die mich im Splitterregen der gegenseitigen Geschosse vergebens versuchte einzuholen. Auch sie stand nun Angst und Schrecken aus.

Ich rannte in sinnloser Panik so schnell ich nur konnte, zu unserem kleinen Häuschen, doch dort suchte ich natürlich meine Eltern vergebens. Ich klinkte beim Nachbarn – damals waren die Haustüren nur selten verschlossen. Auch dort war niemand zu Hause, die Straße schien wie ausgestorben. Als ich dann nach oben in Richtung Wipper blickte, gewahrte ich, dass alle „Toten“ wieder auferstanden waren. Da rannte ich schnell dorthin zurück, meiner überglücklichen Mutter in die Arme. Meinen Eltern war die Lust aufs „Zuschauen” vergangen, wir gingen zurück in die Wohnung. Von Ereignissen, die sich bereits vor der Stadt in einer Kiesgrube an der Teichmühle und danach im Stadtinnern abgespielt hatten, erfuhr ich erst sehr viel später durch „Hörensagen”, zumal meine Eltern immer versucht hatten, mich gegen alles Aufregende abzuschirmen. (In der Kiesgrube wurden 21? Volkssturmmänner[2], die sich als Hitlers letztes Aufgebot dort verschanzt hatten, von den Amerikanern erschossen, angeblich hätten sie die weiße Fahne gehisst und ihre Uniform ausgezogen, aber Legendenbildung war damals üblich. – Des weiteren weiß ich nur von Erzählungen, dass die Amerikaner, als sie auf den Anger kamen, 1 Mann in SS-Uniform er- oder angeschossen hätten, welcher mit noch einigen von ihnen aus dem Keller des Gymnasiums zu flüchten versuchte).

 

Persönliche Erfahrungen mit den Amerikanern machte ich aber dann, als Einquartierung angesagt war. Bald nach ihrem Einrücken gingen deutschsprechende amerikanische Soldaten von Haus zu Haus und machten Quartier, d. h. sie wiesen an, dass die Bewohner unserer Straße, die Anwohner der Parallelstraße (Sternbergstraße) vorübergehend aufzunehmen hätten.

Da wir nur ein sehr kleines Häuschen bewohnten, wurde uns auch nur eine Person, eine alte Frau, zugeteilt. Ihr halfen wir, einige Habseligkeiten zusammenzuschnüren. Die Räumung war sehr kurzfristig angeordnet. Diese alte Dame muss wohl recht wohlhabend gewesen sein, zumindest nach dem Eindruck, den ihre Einrichtung auf mich machte. Und wie jämmerlich ruiniert fanden wir alles wieder vor, nachdem die Wohnung wieder freigegeben war! Meine Mutti, die liebe Seele, hat ihr in tagelangem Einsatz geholfen, alles wieder bewohnbar zu machen.

 

Ab 18.00 Uhr (?weiß ich nicht mehr genau) war für das ganze Stadtgebiet Sperrstunde; d. h. kein Ausgang. Verboten war aber nicht, aus dem Fenster zu schauen, man tolerierte auch, wenn wir uns in unseren Vorgärten aufhielten. Die Soldaten, nur die Offiziere nämlich waren in den requirierten Wohnungen untergebracht, kampierten feldmäßig in ihren LKWs vor unseren Häusern, was für uns Kinder einen eigenen Reiz hatte. Wir strichen um die Wagen herum, vor allem die farbigen Soldaten waren besonders kinderlieb, und ganz Mutige erbettelten ein paar Süßigkeiten und prahlten dann damit. Mein Vater hatte mir einen Satz in Englisch eingetrichtert, der, wie ich heute weiß, grammatikalisch falsch war, mir aber dennoch einmal eine Packung Kaugummi einbrachte: „Have you chocolade?”. < Heutzutage schauen mich meine Enkel ungläubig bei der Aussage an, dass ich fast 10 Jahre alt werden musste, bevor ich das erste Stückchen Schokolade, es war damals die bei den Amerikanern gebräuchliche Blockschokolade (meist nur für die Zubereitung von Trinkschokolade verwendet) schmecken durfte. >

 

An der Wipper neben der Gottesackerkirche war das Küchenzelt aufgeschlagen, und ich erinnere mich, dass dort Soldaten auf Klappstühlen sitzend, die Beine auf dem Tisch, die Arme gekreuzt ausruhten. Manchmal warf man uns von dort etwas Essbares zu. Nach Essbarem suchte auch die hungernde Bevölkerung in den Abfällen, welche amerikanische Küchensoldaten hinausfuhren in den Wald bis zur sogenannten ersten Schweizerhütte an der Kyffhäuserchaussee. Dort bezogen manche Frankenhäuser den ganzen Tag über „Posten”, um ja rechtzeitig zur Stelle zu sein, wenn die LKWs gefahren kamen. Dann gab es ein wüstes Gedrängel und böse Szenen. Manche sprangen bereits auf die noch in Fahrt befindlichen Wagen auf, wo sie mit Fußtritten heruntergestoßen wurden. Der Hunger hatte die Menschen demoralisiert.

 

 

 

 

Jetzt kommen die Russen!

 

Nach Übereinkunft der Alliierten räumten die Amerikaner im Sommer die Stadt und der Einmarsch der Russen wurde von allen Bürgern herzklopfend erwartet, zumal demselben haarsträubende Berichte über Gräueltaten vorauseilten. Er verlief aber ruhiger als erwartet.

Hier erinnere ich mich nicht an Panzer sondern an LKW, besonders aber blieben mir die kleinen sogenannten Panjewagen mit den zottigen Pferdchen davor im Gedächtnis, hatte ich solche bisher doch nicht gekannt. Und an eine menschlich anrührende Begebenheit muss ich noch denken, nämlich die an einen jungen Nachrichtentechniker, der die Aufgabe hatte, provisorisch ein Kabel entlang der Straße zu verlegen. Da in unseren Vorgärten gewöhnlich Flieder- oder andere Büsche standen, konnte er sich das Einbringen von entsprechenden Haltestäben meist ersparen, er legte das Draht einfach über die Äste und balancierte zu diesem Zweck auf den damals schon recht morschen und wackligen Gartenzäunen herum. Mein Vater konnte das nicht mehr mit ansehen und brachte ihm eine Stehleiter. Sein dankbares und freundliches Lächeln kann man wirklich nicht vergessen. Er redete auf meinen Vater ein, was natürlich niemand verstand. Und mein Vater rechnete kaum noch damit, dass er die Leiter zurückbekäme. Umso erstaunter waren wir alle, dass er dieselbe nach getaner Arbeit nicht nur ordnungsgemäß zurückbrachte, sondern am nächsten Abend, wir wollten unseren Augen nicht trauen, mit einem halben, längsgespaltenen Schwein über der Schulter zurückkam und mit einem „Spasibo!“ (Danke!) meinem Vater vor die Füße legte.

 

 

(historische Fakten: 9. Mai 1945 offizielles Kriegsende, für den ersten Thüringer Ort begann der Frieden am 1. April 1945. von Bad Hersfeld kommend erreichte die vierte Panzerdivision der dritten US-Armee die Hörschel. Am Abend besetzten die Truppen Creuzburg. Von da an rückten die US-Trup8pen fast stündlich vor: Am 6. April in Bad Langensalza, am 9. April in Heiligenstadt. am 11. des Monats erreichten sie Buchenwald. Weimar wurde kampflos übergeben. Einen Tag später, am Abend des 12. April war Erfurt nach heftigen Straßenkämpfen mit Wehrmachtseinheiten vollständig in den Händen der US-Truppen. Der Vorstoß nach Thüringen war Teil der strategischen Operation, die am 25. April mit dem Zusammentreffen amerikanischer und sowjetischer Truppen an der Elbe abgeschlossen wurde. Über den bevorstehenden Abzug der US-Truppen und die Übergabe Thüringens an die sowjetischen Verbündeten versuchten die Alliierten die deutsche Bevölkerung bis zum Schluss im Unklaren zu lassen, um eine Massenflucht zu verhindern. Am 1. Juli zogen die US-Truppen ab und übergaben Thüringen an ihre sowjetischen Verbündeten. (Thüringer Allgemeine vom 15. Januar 2005)

 

 

 

[1] Bachsweg, später Bachweg, heute Kyffhäuserstraße

[2] Im Juni 1945 wurden für die Bestattung dieser Männer bei der Fa. Richard Aschenbach 21 Holzkreuze für die Gräber in Auftrag gegeben, heute sind diese durch Metallkreuze ersetzt.

Eine interessante Website: http://www.oberkirchturm.de/

Kriegsende 1945 – Kindheitsbilder aus einer schlimmen Zeit. Bad Frankenhausen. Hans Schneider. **

tags: kyffhäuserkreis, thüringen, zeitzeugen, zweiter weltkrieg

Von Hans Schneider, geboren und aufgewachsen in Bad Frankenhausen, jetzt wohnhaft in Nordhausen

 Das Ende des Krieges erlebte ich als unterernährter, durch die Ereignisse der Zeit frühreifer Junge von 10 Jahren. Ich wohnte damals allein mit meiner Mutter im Schützenhaus an der Blutrinne am Rande unserer Stadt. Der große Garten mit den verschiedenen Schießständen , auf denen der Schützenverein, die Wehrmacht, die SA und SS, die Amerikaner und Russen schossen, war ein Abenteuerspielplatz ersten Ranges für mich. Ich war bei fast allen Übungen dabei und durfte auch schießen.

Bad Frankenhausen blieb lange Zeit von unmittelbaren Kriegseinwirkungen verschont.

http://www.zeitzeugen-oldisleben.de/2016/07/31/nazizeit-evangelische-kirche-und-evangelische-jungmaedchen-traeumt-nicht-rief-pfarrer-fischer-uns-zu-ihr-evangelischen-jungmaedchen-traeumt-nicht-seid-stolz-was-die-gefallenen-waren-das-seid/

Für uns Kinder war der Krieg ein abenteuerliches Spiel, illustriert durch die Propagandabilder der Deutschen Wochenschau. So zierten unsere Schulhefte und  -bänke Zeichnungen von Flugzeugen und Panzern mit Hakenkreuzen, die ununterbrochen  siegten. Die Realität verspürten wir jedoch zutiefst am Fehlen der Väter, am Hunger, der nie aufhörte und schmerzte, und am häufigen Unterrichtsausfall, der uns dagegen ganz und gar nicht weh tat.

Dennoch erreichte das direkte Kriegsgeschehen am Ende auch meinen Heimatort, die Ereignisse häuften sich, von denen sich einzelne wie Filmspots unauslöschlich in mein Gedächtnis eingegraben haben. Nicht alle, die ich schildern möchte, dürften in den Chroniken vermerkt sein, aber noch gibt es  viele lebende Zeitzeugen in dieser Stadt, welche, auf diese Weise daran erinnert, meine Berichte bestätigen, korrigieren, durch andere Beiträge erweitern und somit präzisieren können, was Kinderaugen in anderen Dimensionen von Zeit und Raum erfassten und in die Seele spiegelten.

 

                     Der Marktplatz – Kulisse vieler Ereignisse

Der Marktplatz vor dem Rathaus bildete ( und bildet )die Kulisse für vielerlei zentrale Veranstaltungen. Er sah bei Aufmärschen die braunen Uniformen der SA, die grauen der Wehrmacht, später der Kampfgruppen, die Uniformen der ”Pimpfe” und HJ, später die Blauhemden der FDJ. Ich selbst trug im Verlauf der Zeit  zwei davon. Er vernahm vom Balkon des Rathauses die Durchhalteparolen zum Endsieg und die Maireden über die Sieghaftigkeit des Sozialismus. Artisten traten hier auf,  zeigten ebenfalls Drahtseilakte, und zahlreiche Marktbuden sorgten für reges Treiben. Die Zeit hat ihr Urteil gesprochen, die meisten Bilder sind verblasst, geblieben sind nur einige unauslöschliche Spots.

         

                             Der Pranger auf dem Markt

Durch den Krieg waren Fremdarbeiter Ost ( Zwangsarbeiter )  in der Stadt interniert. Eine Frau, so wurde den Bürgern verkündet, hätte Rassenschande begangen. Viele Einwohner waren auf dem Markt versammelt. In seine Mitte wurde ein Stuhl gestellt. Man setzte die Frau darauf. Ein Mann kam, offenbar ein Friseur, und schor ihr den Kopf kahl, wie man ein Schaf schert. Ihr Haar fiel zu Boden. Die Frau schluchzte Herz ergreifend und verbarg ihr Gesicht vor Scham in den Händen. Die Menge stand schweigend und reglos.

Hatte sie ein Eiseshauch mittelalterlicher Barbarei gestreift ?

                                

                                     Wildwest auf dem Markt ?

Unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner bot sich mir auf dem Markt ein Bild wie in einem Wildwestfilm:

Ich schaukelte gerade auf einer der schweren Eisenketten vor dem Geschäft von Max Perlick, hatte also gewissermaßen einen Platz im ersten Rang inne, als plötzlich viele Schüsse ununterbrochen unter dem Dach des Rathauses knatterten. Aus der Kräme kam ein langer Amerikaner in geduckter Haltung mit der Pistole in der Hand. Er arbeitete sich, eng an die rechten Häuserwände gedrückt und jede Deckung suchend, zum Rathaus vor. Das war ein Anblick! Offenbar gab es aber dort keine Heckenschützen und alles endete friedlich, denn mit diesem Bild endet auch mein Erinnerungsspot.

 

                                        Luftkämpfe über der Stadt

Gegen Ende des Krieges kam es mehrmals zu Luftkämpfen im Luftraum über der Stadt. Ich stand im Garten und beobachtete gebannt ein Schauspiel am Himmel : Helle und dunklere Flugzeuge kurvten wild umeinander. Manchmal waren zwei Maschinen kurzzeitig durch dünne Fäden miteinander verbunden. Es gab Geräusche in den Obstbäumen des Gartens. Eine Maschine stürzte mit einer Rauchfahne ab. Sie muss in der Gegend um Udersleben abgestürzt sein. Anschließend sammelte ich unter den Obstbäumen große Hülsen von den Bordwaffen der Flugzeuge auf. Sie hatten die Geräusche verursacht. Es war wieder ein Geschehen wie in der Deutschen Wochenschau, das ich so oft gezeigt bekommen hatte. Wohl deshalb empfand ich keinerlei Angst, ich wusste nur nicht, wer Freund oder Feind war, das war neu.

Es gab auch Aufregung, als sich ein Flugzeug kurz hinter der Stadt vor einer Scheune in den Acker grub. Die Stelle befand sich südlich der Esperstedter Straße. Das tiefe Loch war noch von der Straße aus zu sehen. Ich hörte viele Gespräche darüber, wer und was der Pilot gewesen wäre.

 

                                      Gewitter oder Bomben ?

Nordhausen erlebte zwei schwere Luftangriffe und wurde furchtbar zerstört. Viele Menschen wurden getötet. Jährlich gedenkt man der Opfer. Wir konnten damals den Widerschein der Brände über den Kyffhäuserbergen sehen. Ein britischer Bomberpilot, der von einem Feindflug gegen ein anderes Ziel zurückflog, schrieb damals in seinem Bericht, dass diese Stadt stark brannte. Auch unsere Stadt erlebte Luftangriffe, die sie hätten auslöschen können, aber wie durch ein Wunder blieb sie immer nahezu unversehrt….

Wir wohnten in der Poststraße. In der Nacht  wurde ich mitten im tiefsten Schlaf von meiner Mutter aus dem Bett gerissen. Schlaftrunken hörte ich ein Krachen und glaubte an ein Gewitter, vor dem ich im Unterschied zu meiner Mutter keine Angst hatte, und wollte weiterschlafen. Sie aber warf mir etwas über und schrie mich an: „Wir müssen in den Keller!” Darauf zerrte sie mich quer über die Straße zu unseren Nachbarn, in deren Keller wir uns stets flüchteten. Überall zuckten Blitze. Ich begriff immer noch nicht, was geschah, aber als wir mitten auf der Straße waren, wankte plötzlich das Pflaster unter mir. Dann saßen wir im Keller und hatten nur noch Angst. Es war der Angriff vom 21.01.44 mit vielen Brandbomben, die in die Wälder rund um die Stadt fielen und sie erleuchteten.

Auch dieser Angriff war nicht befohlen worden, denn mein britischer Gewährsmann, Mr. Partington, ehemaliger Offizier der britischen Luftwaffe, fand in den Archiven kein militärisches Dokument, das Bad Frankenhausen erwähnte. Damals gab es einen großen Angriff auf Berlin. Er nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass daran beteiligte Maschinen auf dem Rückflug ihre Bombenlast bei uns abwarfen. Der Angriff erfolgte gegen 23 Uhr.

                                          

                                               Das Standgericht

Unmittelbar bevor die Amerikaner kamen, erschien ein Polizist bei uns im Schützengarten, tuschelte kurz geheimnisvoll mit meiner Mutter und verschwand wieder. Das machte mich hellwach. Sie sollte darauf achten, dass ich im Hause blieb. Zwei Militärlastkraftwagen quälten sich mit heulenden Motoren den Hohlweg der Blutrinne hoch und hielten am Eingang der alten Lehmgrube. Sie war nur durch einen Drahtzaun mit einer Hagebuttenhecke vom Schützengarten getrennt. Ich schlich mich heimlich durch die Schießhalle des Schützenhauses zum Hinterausgang und von da im Schutze der Fliederbüsche zu der dichten Hecke, hinter der ich mich verbarg. Die Leute in der Lehmgrube waren so sehr mit ihrem Tun beschäftigt, dass man mich nicht bemerkte.

Von dem einen LKW stiegen Soldaten ab, die unter Aufsicht links daneben mit dem Gesicht zur hinteren Wand der Grube, vom Eingang aus gesehen, Aufstellung nehmen mussten. Aus dem anderen Fahrzeug kam ein Erschießungskommando , das zwei sehr junge Soldaten zu dieser Wand führte und davor stellte. Einer schrie : „Mutter! Mutter!” Diese Schreie brannten sich mir ein, dass ich meine, sie noch heute zu hören. – Die Salve krachte, dann war es still. Der Offizier ging zu den Erschossenen, dann wurden die Leichen in zwei Särge gelegt, die man auf dem einen LKW mitgebracht hatte. Die Soldaten, die wahrscheinlich zur Warnung zusehen mussten, und das Kommando stiegen auf, die Wagen fuhren weg. So schnell, wie er gekommen war, war der grausige Spuk wieder verschwunden.

Ich ging zur Wand, wo die Blutflecken waren, und suchte im Lehm nach den Kugeln, wie ich es immer in den Kugelfängen der Schießstände tat, fand sie aber nicht.

 

Nachtrag von Hans Schneider im Mai 2005:

 Das Standgericht

Paul Söhle berichtet von vier Radfahrern in Zivil, die von der SS aufgegriffen wurden. Am 8.4.45 wurden sie nach einem Standgericht ”zum ehemaligen der Schützengesellschaft gebracht und standrechtlich erschossen.”

Ich kann diese Aussage präzisieren, denn ich war Augenzeuge dieses Geschehens:

Während des Krieges und noch einige Jahre danach wohnte ich zusammen mit meiner Mutter allein im Schiessstand an der Blutrinne, den Frankenhäusern bekannt als Schützenhaus. Ich war damals gut 10 Jahre alt, der Schiesstand und der Schützengarten waren mein Abenteuerspielplatz, so kannte ich jeden Winkel.

Eines Tages (8.4, I.M.) kam der Stadtpolizist ( Nauland ? ) zu meiner Mutter und forderte sie auf, ihren Jungen im Haus zu halten. Das machte mich neugierig. Zwei LKW kamen die Blutrinne herauf und bogen vor dem Schützenhaus links zur Lehmgrube ab, die durch einen Zaun vom Schützengarten getrennt wurde, der durchwachsen war, so dass ich mich gut dahinter verbergen konnte, was ich während des gesamten Geschehens auch tat.

Die Wagen hielten gleich hinter dem Eingang in der Grube, aus dem einen LKW stieg eine größere Gruppe Unbewaffneter aus, die bewacht wurde und sich an der linken Seite in der Grube aufbauen musste, aus dem anderen LKW kam das Erschießungskommando mit den vier Todeskandidaten.. Diese mussten sich vor der hinteren Wand gegenüber dem Eingang aufstellen. Einer von ihnen schrie laut „Mutter” Dann ging alles sehr schnell, der Kommandeur verlas einige Worte, das Erschießungskommando legte an, ein Befehl ertönte, die Schüsse fielen. Der Kommandeur ging, die Pistole in der Hand, zu jedem Hingerichteten, brauchte aber nichts mehr zu tun.

Das alles beobachtete ich von meinem Platz hinter dem Zaun, etwa in der Mitte zwischen dem Kommando und den Delinquenten. Ich schlich mich durch alle Schießhallen im Haus zurück zur Mutter, die mein Fehlen nicht bemerkt hatte. Diese Bilder haben sich mir so eingegraben, dass sie mir noch immer so gegenwärtig sind, als ob alles gerade erst gestern geschehen wäre.

 

  Hans Schneider

 Die Amerikaner kommen………….

Der Großdeutsche Rundfunk meldete : „Leichte amerikanische Panzerspitzen erreichen den Raum Nordhausen – Sangerhausen.”

Die SS hatte einige Gebäude besetzt, war aber, als sich die Amerikaner näherten, verschwunden, und es gab weiße Fahnen. Nur eine Volkssturmgruppe bezog in der Kiesgrube bei der Teichmühle Verteidigungsstellung, um die Panzer aufzuhalten und schossen mit einer Panzerfaust. Die Panzer antworteten mit heftigem Feuer, ich sah dann die Gräber dieser Verteidiger neben der Friedhofskapelle, sie bildeten eine lange Reihe von Grabstätten, die mit schlichten Holzkreuzen ausgestattet waren. Auf einigen konnte man lesen : Unbekannter Soldat. Die amerikanischen Panzerbesatzungen aber hatten am Tag zuvor den Totengeruch von Nordhausen verspürt und die Leichen in der Hölle der Boelcke – Kaserne gesehen, die noch vom Angriff am 4.4.45 dort lagen, weil ein Befehl den  Bürgern verbot, sich diesem Areal zu nähern.

Wahrscheinlich stammte das Stangenpulver, das die ältesten Jungen aus kleinen Säckchen an uns verteilten, von dem Kriegsmaterial, das in dieser Kiesgrube lag. Es sah aus wie grau-schwarze Makkaroni und brannte ruhig ab, wenn man es an eine offene Flamme hielt, aber an einem glühenden Stück Holz oder Kohle entzündete es sich explosionsartig und zischte pfeifend davon. Abends verwandelten wir diese Stangen in herrliche kleine Feuerwerkskörper oder auch Knallfrösche.

Ich empfing die leichten Panzerspitzen, die stundenlang mit dem Begleittross durch unsere Stadt rollten, zusammen mit anderen Kindern an der Ecke Poststraße – Frauenstraße, wo wir unser Häuschen hatten. Sie kamen vom Anger, fuhren am Bad vorbei die Frauenstraße hinauf und verließen hinter dem Friedhof die Stadt in Richtung Udersleben, Lastkraftwagen und Jeeps mit darauf montierten Maschinengewehren in bunter Folge, eine unglaubliche Menge an Kriegsmaterial.

Wir betrachteten die Amerikaner nicht als Feinde und winkten ihnen zu. Nicht wenige Soldaten winkten zurück. Einige saßen, lässig zurückgelehnt, ein Bein auf der Motorhaube, in ihren Jeeps und kauten ununterbrochen. ( hungrige Augen sehen scharf ) Unser Anblick musste erbärmlich gewesen sein, denn wir erhielten manchmal, wenn es einen Halt gab, Schokolade, Kekse oder andere Esswaren, was die GIs gerade in der Hand hatten. Die Musik, die aus ihren Radios drang, machte auf mich einen gewaltigen Eindruck. Die Klänge waren so fremdartig, dennoch so einschmeichelnd und schwungvoll, ganz anders als das Staccato der Marschmusik, an die wir bisher durch Rundfunk oder Film gewöhnt waren. Das war meine erste Bekanntschaft mit dem Swing, dem Glenn Miller Sound, den ich später als Tanzmusiker selbst gern zu produzieren versuchte.

Als Oberschüler bekam ich dann furchtbaren Ärger mit meinem überaus überzeugten Geschichts- und Gegenwartskundelehrer, weil ich, anders als es damals die Lesart der Geschichte verlangte, dabei blieb, dass wir von den Amerikanern und nicht von der sowjetischen Armee befreit worden wären.

Das Verhältnis der Amerikaner zur Bevölkerung war, abgesehen von einer gewissen Affinität zu den deutschen Mädchen, distanziert, aber im Wesentlichen  korrekt, zumindest waren uns keine Übergriffe bekannt, wie es sie später gegeben haben soll.

Die Amerikaner waren da, aber der Hunger blieb. Sie hatten bei der ersten Schweizerhütte an der Kyffhäuserstraße einen Abfallplatz errichtet, wo sich offensichtlich auch ihre Militärbäckerei entsorgte. Was die da nicht alles liegen ließen !  Das sprach sich schnell herum. Ich traf dort andere Bürger unserer Stadt und fand wahre Schätze. In klarer Erinnerung ist mir ein großer schneeweißer Klumpen Teig, frisch und sauber in ein Leinentuch gewickelt, fertig zum Ausbacken. Warfen nun die Soldaten , die uns sahen, mehr Dinge als notwendig weg, oder war das einfach der gewöhnliche Abfall einer Überflussgesellschaft, der in so krassem Widerspruch zu unserem Hunger stand?  Persönlich machte ich eine Erfahrung, die noch heute Millionen von Menschen auf dieser Welt machen müssen : Vor dem Hunger werden andere Dinge wie z.B. Stolz oder Abscheu klein und unwichtig. Noch als Bürger der DDR konnte ich nur schwer begreifen, warum ”die drüben” so viele gut erhaltene Dinge nicht mehr gebrauchen wollten. Produzieren wir jetzt Einheitsmüll; oder heißt das doch richtiger einheitlich Müll? Zählen wir z. B. nicht jetzt auch Schuhe, bei denen lediglich die Absätze schief sind, zum Abfall, weil die Reparatur zu teuer ist?  Ist es Müll, der für Menschen, die  in anderen Ländern unter unmenschlichen Bedingungen leben, bereits eine  Lebensgrundlage bedeuten würde? Warum ist das so auf dieser Welt eingerichtet? Fragen, auf die man keine Antwort bekommt.

 

                         Ein Geschäftsmann wird geboren

Ich erwarb meine ersten Erfahrungen im ´big business´, bei dem Zigaretten statt des wertlosen Geldes das gängige Zahlungsmittel waren, beim Verkauf von Frühkirschen aus unserem Garten an die amerikanischen LKW – Fahrer, die vor den Bierkellern an der Kyffhäuserstraße warteten. Einen GI musste ich zum Jüdischen Friedhof führen. Er bot mir für diese Dienstleistung grinsend meine  erste Zigarette an und wurde danach sehr besorgt um mich, als ich sterben wollte, weil ich versehentlich etwas Rauch in die Lunge bekommen hatte.

Eines Abends kam ein Amerikaner mit einem Mädchen die Blutrinne herauf. Ich stand an der Gartenpforte. Als sie zurück kamen, hörte das Mädchen von mir: „Das sage ich deiner Mutti!” – wie das Kinder eben so sagen. Der Erfolg war unerwartet, nach kurzer Aufregung wuchs eine Schachtel Zigaretten als Wegezoll zu mir herüber, die zusätzliche Nahrungsmittel für uns bedeutete. War ich nun ein erfolgreicher ´business man´ oder ein perfekter kleiner Erpresser oder gar beides?

 

                                          Die Plünderung

Auffällig viele Menschen eilten die Poststraße hinauf zur Oberkirche. Ich schloss mich ihnen an. Man war dabei, das Warenlager zu plündern, in das die SS die Kirche umfunktioniert hatte. Die Kirche war mit Waren aller Art bis oben hin vollgestopft. Aus dem Seiteneingang schleppten die Leute Stoffe, Schuhe und andere wertvolle Dinge die enge Treppe zur Frauenstraße hinunter. Noch im Gebäude entriss mir ein Mann das Fahrrad, das ich erbeutet hatte. Endlich kam ich  mit einem Kästchen voller Orden nach Hause. Ich war furchtbar stolz, denn ich besaß nun ein echtes Eisernes Kreuz. Leider teilte meine Mutter meine Freude nicht.

Die Frauen in unserer Straße unterhielten sich aufgeregt darüber, dass beim Plündern auch wertvolles Kircheneigentum mitgenommen worden wäre. Später vermeldete der Buschfunk, dass man es wieder zurückgebracht hätte. Ich habe mich an kompetenter Stelle erkundigt. Die Meldung stimmte. Glaube und Gewissen der Menschen haben selbst in Notzeiten gesiegt!

Im Hedrich – Heim streifte ich umher und fand in den Räumen viele Bürodinge, denn die SS hatte hier eine Verwaltungseinrichtung gehabt.

Auch der Weinkeller der Gaststätte Reichental wurde geplündert. Er sah schlimm aus. Überall zerschlagene Flaschen, Weinlachen auf dem Boden, ein schwerer Alkoholdunst verdickte die Luft, selbst die Treppe war mit Scherben bedeckt. Es war nichts mehr zu holen. In der DDR wurde daraus eine Nachtbar, die aber nicht allzu lange bestand. Offenbar hatte Frankenhausen zu wenig Nachtschwärmer und die Kurgäste befanden sich gewiss alle brav um 22 Uhr im (eigenen?) Bett.

 

                           ……… und die Russen auch

Die Russen kommen! Diese Nachricht erzeugte große Unruhe in der Stadt. Gerüchte schwirrten umher, teilweise verbreitete sich Angst. Der Einmarsch der Sowjet – Armee vollzog sich für mich fast unbemerkt. Es gab keine endlosen Kolonnen mit Kriegstechnik, die Soldaten verteilten keine Schokolade, Kekse oder andere Köstlichkeiten. Sie kamen auf Panjewagen, die von kleinen Pferden gezogen wurden, ihre Uniformen waren arg strapaziert, ihre Feldblusen ausgeblichen. ( Für die jungen Leute von heute übersetze ich diesen altmodischen Ausdruck in gepflegtes Neudeutsch: Ihre Sweatshirts hatten einen echt geilen stone-washed look )

 

                                                 Das Lagerfeuer

Mein erstes Zusammentreffen mit einem russischen Soldaten war durchaus abenteuerlich. Da wir fernab der Stadt im Schützenhaus wohnten, wusste ich noch nicht, dass die Russen schon eingerückt waren und streifte kurz vor dem Dunkelwerden noch umher. Von fern erblickte ich den Schein eines Lagerfeuers und ging darauf zu. Es befand sich am unteren Rande des Knopfmacherhölzchens. Ein Soldat saß davor bei seiner Mahlzeit. Daneben stand ein Panjewagen, ein Pferdchen graste auf dem Fleckchen, das jeder Frankenhäuser unter der Bezeichnung ´Hundewiese´ ( Hunnewiese) kennt – ein romantischer Anblick. Getrieben von Neugier und Hunger schlich ich mich behutsam wie ein Indianer an. Das war ein Fehler. Der Soldat hörte meine Geräusche, legte seine Waffe auf mich an und brüllte mir etwas zu. Als er sah, dass sich da nur ein überaus schmächtiges Bürschchen verstört näherte, ließ er die Waffe sinken und winkte mich ans Feuer. Er sah den Hunger in meinen Augen, schnitt eine dicke Schnitte von dem dunklen Kastenbrot ab, das er vor sich hatte, tat einen großen Würfel Speck darauf und legte eine Zwiebel dazu. Das sollte ich essen! Beim Anblick des fetten Specks drehte sich mir der Magen um – hatte ich doch bisher kaum ein richtiges Stück Wurst gesehen – ich bekam nichts herunter. Augenblicklich brüllte der Mann wieder los und gebärdete sich, als ob er mich windelweich hauen wollte. In meiner Not zeigte ich auf den Speck und sagte : „Mama”. Das verstand der Mann, das war internationaler Wortschatz. Er beruhigte sich schnell, gab mir das restliche Brot und schickte mich weg. Als ich zur Mutter kam, saß mir der Schreck noch in allen Gliedern, aber Brot und Speck waren uns sehr willkommen.

 

                                

 

                                       Ein Danke der besonderen Art

Nach dem Einmarsch der Russen erzählte man meiner Mutter von Übergriffen, die es in der Stadt gegeben haben sollte, uns im Schützengarten war bisher nichts passiert. Eines Tages aber glaubten wir, wir wären nun auch an der Reihe – eine Gruppe schreiender Männer wälzte sich um Kleinschmidts Anwesen herum die Blutrinne herauf……….

Im Herbst 1944 hatten wir einen Fremdarbeiter aus dem Lager als Hilfe für die Gartenarbeit bekommen. Er wurde jeden Morgen von einer Wache gebracht und am Abend wieder geholt. Stephan  grub fleißig mit uns zusammen den Boden um. Meine Mutter meinte, wer zusammen arbeitet, sollte auch zusammen essen. So teilten wir unsere spärlichen Mahlzeiten mit ihm. Bevor er abends geholt wurde, stopfte er sich die Bluse über dem Gürtel mit Äpfeln für die Kameraden im Lager aus. Die Wache war auf beiden Augen blind……….

Nun führte eben dieser Stephan die lärmende Truppe heran. Sie betraten den Garten und hatten reichlich getrunken. Wir mussten aus dem Haus kommen und wurden  umringt. Die Männer redeten auf uns ein, Mutter musste Schnaps trinken. Dann lärmten sie noch ein Weilchen im Garten umher und verschwanden wieder. Es war uns nichts geschehen, von unseren Sachen fehlte nichts.

 

                                         Vater ist wieder da

Mit dem Wiederbeginn der Schule normalisierte sich für uns Kinder das Leben einigermaßen. Oft mussten wir noch Heizmaterial mit in die Schule bringen, damit der Unterricht überhaupt stattfinden konnte. Manche neuen Lehrer hatten mehr Schwierigkeiten mit dem Unterrichtsstoff als mit uns, so dass sich das Schülerleben erträglich gestaltete. Ein großes Ereignis war die erste Schulspeisung: Wir erhielten ein trockenes Roggenbrötchen, aber es bekämpfte den ständigen Hunger. Im nun beginnenden Russischunterricht hatte ich größere Erfolge im Erlernen des Skatspiels als beim Erlernen der Vokabeln. Jeder sagte uns, dass Russisch nicht notwendig wäre, und wir hielten uns daran. Der Lehrer störte uns jedenfalls beim Spiel kaum, er hatte mit sich selbst zu tun, denn er war uns offenbar im Stoff lediglich um eine Lektion voraus. Auch die Rechtschreibung im Deutschunterricht drückte uns nicht zu sehr, durften wir doch ´Kaninchen´ sogar mit ´r´ in der Mitte schreiben.

Im September 1947 befand ich mich zum Aufpäppeln im Kinderheim an der Kleinen Wipper ( später Prof. Ibrahim ), denn ich war noch immer sehr unterernährt. Wir spielten auf der Wiese vor dem Haus, da sah ich meine Mutter am Arm eines Mannes kommen, für mich ein unerhörtes Geschehen. Dann erkannte ich Vater. Er war gerade aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, sein erster Weg führte ihn zu mir. Wild rannte ich den Beiden entgegen. Mir war, als ob eine schwere Last von mir gewichen wäre, ich fühlte mich froh und frei. Mit seiner Ankunft hatte er mir die Verantwortung für Mutter und mich abgenommen, die ich die ganze Zeit unbewusst getragen hatte. Nun war auch für unsere Familie der Krieg zu Ende gegangen.

 

                                            Es lebe die Jungfernburg!

Wenige Jahre nach Kriegsende bedeutete die Einrichtung einer Schule für Kindergärtnerinnen in der Frankenburg ein wichtiges kulturelles Ereignis für unsere Stadt und den Anbruch goldener Zeiten für die jungen Burschen, zu denen auch ich mittlerweile gehörte. Sofort entstand die Bezeichnung ´Jungfernburg´ , da der Frankenhäuser schnell mit drastischen Spitznamen zur Hand ist, wenn er es auch mit dem absoluten Wahrheitsgehalt dabei nicht so genau nimmt. Sehr genau nahmen wir Jungen der FDJ – Organisation der Oberschule die gewünschten offiziellen Kontakte zu den Kindergärtnerinnen  – und ein wenig darüber hinaus. Das war so ziemlich der einzige ´gesellschaftliche Auftrag´, den wir gern ausführten. Einige Mädchen erwählten sich einen Frankenhäuser zum Ehemann. Wie sich die außerplanmäßige Anwesenheit von ausgebildeten Kindergärtnerinnen bevölkerungspolitisch für die Stadt ausgewirkt hat, habe ich in den Statistiken nicht geprüft, eine willkommene Auffrischung des Blutes allhier war sie jedoch auf jeden Fall.

 

Zum „verordneten Neonazismus“ nach 1990 sagen Zeitzeugen:“ Zumindest in der DDR war der Faschismus geächtet nach dem Krieg. Da kam damals niemand auf die Idee, eine rechtsgerichtete Gruppe zu bilden. Das wäre doch tödlich gewesen.“

Oldisleben, Adolf-Hitler-Straße

Nazistisch-militaristische Literatur, als Folge des Politikwechsels von 1990 nunmehr auch in den Thüringer Buchgeschäften, darunter in Erfurt, und selbst in Supermärkten angeboten:

Wie heute in entsprechenden Werken  die Aktivitäten der Wehrmacht im Angriffskrieg interpretiert werden: 

Aus dem Vorwort zur 15. (!) Auflage:

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Ausriß:”…tapfer und treu, wie deutsche Soldaten seit Jahrhunderten für Volk und Vaterland ihr Leben hingegeben haben.”  Buch nach dem Anschluß 1990 nun auch angeboten in den größten Buchhandlungen Ostdeutschlands,  von westdeutschem Verlag herausgegeben. Ein Buch dieses Inhalts zu DDR-Zeiten in DDR-Buchhandlungen – was wären die Reaktionen gewesen? Wer kämpfte dafür, daß derartige Bücher nach Mauerfall und Anschluß 1990 nun auch in Ostdeutschland überall angeboten werden? Aufschlußreich ist, daß in Ostdeutschland einstige sog. Bürgerrechtler an solcher Literatur auch im Jahre 2014 keinerlei Anstoß nehmen –  Parteien, Institutionen, NGO, Staatskirchen sowieso nicht. 

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Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 15. Oktober 2007, Heft 21

Am Abendbrottisch

von Klaus Hart, São Paulo

Wie der österreichische Historiker Othmar Plöckinger nachwies, gab es zur Nazizeit in den evangelischen Kirchen Deutschlands sehr viel Begeisterung für Hitlers Ideologie. Zitiert wird beispielsweise die Broschüre Der Nationalismus vor der Gottesfrage des Pastors und Theologen Helmuth Schreiner: »Der Kampf um Gesundheit des Blutes und Reinheit der Rasse ist also vom christlichen Glauben her gesehen ein Gottesbefehl.«
Jüngst auf Heimturlaub in Deutschlands Osten, erinnerten mich einige Zeitzeugen an die Begeisterung für die Nazis, die unter den Repräsentanten der evangelischen Kirchen geherrscht habe. An Abendbrot- und Kneipentischen in Thüringen und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern erzählt man sich noch heute, wie es damals zuging: Vielerorts hätten evangelische Pfarrer in SA-Uniform und mit NSDAP-Fahnen direkt am Altar gepredigt. Andere Pfarrer hätten die Hakenkreuzbinde auf dem schwarzen Talar getragen, wieder andere über die SA-Uniform mit dem Braunhemd den Talar gezogen, so daß die schwarzen SA-Stiefel zu sehen gewesen seien. Zu einer Zeit, als selbst in den Dörfern Kommunisten und Juden festgenommen und zur Liquidierung in die KZs abtransportiert wurden, hätten sie die Hitler-Ideologie gepredigt. Die nach 1945 gern vorgezeigten Pfarrer aus der Bekennenden Kirche waren nur eine ganz kleine Minderheit.
In ungezählten ostdeutschen Pfarrhäusern, so wird erzählt, feierten die evangelischen Pastoren rauschende Feste mit SS-Offizieren und anderen Nazi-Größen, pflegten begeistert den engen Schulterschluß. Gar nicht so selten waren auch Familienbande, Pfarrerfamilien waren über Eheschließungen mit Nazigrößen, oftmals identisch mit den Großgrund- und Fabrikbesitzern vor Ort, engstens liiert.
Der Angriffskrieg des deutschen Kapitals, so Zeitzeugen, sei von der evangelischen Kirche nach Kräften politisch-ideologisch unterstützt, oft gar begeistert verherrlicht worden. An den Kriegerdenkmälern neben den evangelischen Kirchen hätten Kundgebungen für den Krieg stattgefunden und Pfarrer das »Heldentum« von Wehrmacht und SS bejubelt. Viele Kirchengemeinden könnten heute Ausstellungen mit Originalmaterial veranstalten, einschließlich der auf die spezifische lokale Situation zugeschnittenen Predigttexte – selbst Fotos mit evangelischen Pastoren in SA-Uniform am Altar und bei den Kriegerdenkmalfeiern müßten noch reichlich in vielen Orten aufzutreiben sein.
In den Schulen hatten die Kinder und Jugendlichen einst zu beten: »Schütze Gott mit starker Hand / unser Volk und Vaterland / Laß auf unsres Führers Pfaden / leuchten deine Huld und Gnaden.« Und in einem Hitler gewidmeten evangelischen Schulgebet hieß es : »Weck im Herzen uns aufs Neue / deutscher Ahnen Kraft und Treue / und so laß uns stark und rein / deine deutschen Kinder sein.«
In der Gegend, in der einst Thomas Müntzer wirkte, zitieren die Leute heute gern aus neueren Publikationen über Martin Luthers Ansichten über das Verhältnis zu den Mächtigen. Gott wolle den König geehrt und die Aufrührer vernichtet sehen. Bemerkenswert sei, daß Luther »die von Gott verordnete Obrigkeit« herausgestellt und die Fürsten und Herren als »Gottes Beamten« bezeichnet habe. Nicht nur in der Region des Bauernkriegs erinnert man sich an Luthers Schrift Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern.
Und auffällig, meinen meine Gesprächspartner, sei es, wie gut sich die evangelischen Kirchen heutzutage mit der Obrigkeit verstehen. »Unmengen hocheffektiver Exportbetriebe wurden sofort nach dem Anschluß dem Erdboden gleichgemacht, um Massenarbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und Entsolidarisierung zu erzeugen«, sagt einer in Thüringen, »doch die Pfarrhäuser und Kirchen sind tipptopp wie noch nie.« Letzteres wiederum stößt mancher Westverwandtschaft auf. »Wieso wird eigentlich in die Ost-Kirchen soviel Geld investiert, obwohl heute viel weniger reingehen als zu Zonen-Zeiten?« fragt eine wertkonservative hochgebildete Dame aus Hamburg. Den Zufallsgast aus Brasilien fragt sie, ob die katholische Kirche sich im Tropenlande ebenfalls so gut mit der Obrigkeit verstehe und so viele öffentliche Mittel erhalte. Der mit den heutigen deutschen Verhältnissen eher wenig vertraute Gast muß das verneinen; die Kirchen in beiden Ländern seien schwerlich miteinander zu vergleichen.
Den Zeitzeugen zufolge hätten nach 1945 viele Repräsentanten der evangelischen Kirchen schwer daran zu schlucken gehabt, selbst in den kleinsten ostdeutschen Dörfern auf einmal von jenen regiert zu werden, die bis 1933 propagiert hatten: »Wer Hitler wählt, wählt den Krieg« – und die von den evangelischen Kirchen gemeinsam mit SA und NSDAP hart bekämpft worden waren. Kinder von Nazis hätten nach 1933 auf dem Schulhof natürlich nicht mit jenen aus »rot« verschrienen Familien gespielt, sondern ihnen bestenfalls auf offener Straße, die Hand zum Hitlergruß gereckt »Deutschland erwecke, Moskau verrecke« nachgebrüllt.
Statt mit einem Nazi-Bürgermeister und einem strammen Nazi-Schulleiter, mit denen sich viele Pfarrer blendend verstanden hatten, mußten sie nach 1945 selbst auf vielen Dörfern plötzlich KZ-Überlebende aus Buchenwald und anderen Lagern ertragen, die nun auf solchen Posten saßen. Da hätten nicht wenige wehmütig nach Westdeutschland geschaut, wo Kriegsverbrechern nur selten ein Haar gekrümmt worden sei und die Globkes und Filbingers erneut Karriere machten. Mit Galgenhumor erzählen heute manche im Osten, daß evangelische Pfarrer in Wendezeiten den »Runden Tisch« just an jener Stelle in ihren Kirchen veranstaltet hätten, an denen einst die Hakenkreuz-Fahnen standen und die Nazi-Pastoren predigten. Mit ebensoviel Ironie wird quittiert, daß an den Kriegerdenkmälern wie einst zur Nazizeit wieder Gedenkfeiern stattfinden. Und daß just wie unter Hitler wiederum Ich hatt einen Kameraden erklinge. Wer da besonders kräftig mit einstimme, seien Mitglieder neonazistischer Gruppierungen, die es bis zum Anschluß nur in Wessiland gegeben habe.
Wer zu DDR-Zeiten auf die absurde Idee gekommen wäre, Sympathie für Nazi-Ideologie zu äußern, so sagen ostdeutsche Lehrer im Gespräch, hätte unverzüglich Ärger mit Schule, Gewerkschaft, Partei und Stasi bekommen. Der Besitz von Mein Kampf wäre als staatsfeindlich eingestuft, mit Knast bestraft worden. Nach dem Anschluß, meinen diese Pädagogen, sei all dies sozusagen ins Gegenteil umgeschlagen, habe man den raschen Aufbau neonazistischer Gruppierungen nach Kräften gefördert; lediglich Alibi- und Scheinkritik werde an dieser Entwicklung geübt.
Auf die staatlich verordnete Wanderausstellung Das hat’s bei uns nicht gegeben – Antisemitismus in der DDR reagieren sie mit Gelächter, bezeichnen sie als kompletten Schwachsinn. In ihren Schulen sei es zur DDR-Zeit obligatorisch gewesen, durchweg allen Schülern immer wieder ausführlich die Situation der Juden zur Nazizeit zu schildern, stets auch anhand von Zeugenberichten aus KZ-Städten wie Weimar. Ungezählte Weimaraner wußten sehr genau, was mit den Juden oben am Ettersberg geschah, sahen damals beinahe täglich, wie Trupps von Juden, selbst bei Eiseskälte nur in Holzschuhen ohne Strümpfe brutal durch die Straßen getrieben wurden. Das alles haben wir unseren Schülern stets vermittelt, sagen diese Lehrer. Heute indessen im Osten werde allgemein die Ausbreitung nazistischen Gedankenguts gefördert. Hätte man jemanden zu DDR-Zeiten mit Landserheften, gar mit der Nationalzeitung erwischt, so die Lehrer und andere Zeitzeugen, hätte der Ärger bekommen. Heute werde derartiges nicht zufällig beinahe in jedem Supermarkt angeboten.
Merkwürdig – aus den Medien Ostdeutschlands erfährt man als Zugereister nur entsetzlich wenig über die dortige Realität, das Denken und Fühlen der Menschen, heute und früher. Wenn wichtige Zeitzeugen erst gestorben sind, wird es für ernstzunehmende Historiker beinahe unmöglich sein, noch herauszubekommen, wie es im Osten tatsächlich war.

Martin Luther: “Von den Juden und ihren Lügen”(1543). “Darum immer weg mit ihnen.” Luther und die Antisemitismus-Diskussion. Eisenach. “Bad People”. Brasilien, Kriegsverbrecher, Rechtsextremismus. “Jüdischer Ungeist”. Julius Streicher, Nürnberger Prozesse. **

Zu den Merkwürdigkeiten der öffentlichen Antisemitismus-Debatten in Deutschland und Brasilien zählt, daß eines der Hauptwerke Luthers, „Von den Juden und ihren Lügen”, fast durchweg ausgeklammert bleibt. Für den Schul-und Konfirmandenunterricht gilt dies ebenfalls. Bis heute veröffentlichen  die evangelischen Gemeinden interessanterweise nicht jene Predigten, die zur Hitlerzeit von den Pfarrern sogar in SA-und NSDAP-Uniform gehalten worden waren. Aus Thüringen – Luther lebte zeitweise im thüringischen Eisenach und auf der Wartburg –  ist unter anderem bezeugt, daß Juden, die den Terror der Nazis in Konzentrationslagern wie Buchenwald bei Weimar überlebten, nach Kriegsende den amerikanischen und sowjetischen Truppen beim Auffinden von mit der evangelischen Kirche eng verbandelten Naziverbrechern und hohen NS-Funktionsträgern behilflich waren. Sofern diese sich nicht schon in die spätere Bundesrepublik Deutschland abgesetzt hatten, um straffrei zu bleiben und weiter Karriere machen zu können. 

Nach 1990 änderte sich das Bild, da u.a. der Rechtsextremismus ganz offiziell eingepflanzt wurde, zuvor streng verbotene, nur im westlichen Deutschland existierende neonazistische Parteien, Organisationen und Gruppierungen gefördert, Nazi-verherrlichende Schriften auf einmal selbst in ostdeutschen Supermärkten massenhaft angeboten werden.

(Erich Kästner: “Ich könnte euch verschiedenes erzählen, was nicht in euern Lesebüchern steht. Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen, sind immer die, um die sich alles dreht”.)

Die “Reichskristallnacht” der Nazis hatte vom 9. auf den 10. November, dem Geburtstag Luthers, stattgefunden.

Bestimmte europäische Länder haben viele hochaktive Antisemiten, die jedes Attentat auf Juden feiern, ins Land geholt – und damit die tatsächliche Haltung zum Antisemitismus, abseits des Betroffenheitsgeschwätzes offizieller Reden,  klar definiert.

Hier Auszüge aus dem Text von 1543:

„Was wollen wir Christen nun tun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden?

“Bad People”: http://www.jcrelations.net/en/?item=3036

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/05/13/judas-verbrennenqueima-do-judas-antisemitisches-ritual-in-brasilien-bayerisches-brauchtum-bizarr-der-jud-mus-verbrannt-werden/

Käßmann: Es wird keinen Luther-Kult geben

Käßmann erklärte, sie verstehe sich weiterhin als Frau der Kirche und freue sich, in neuer Funktion wieder für die EKD tätig zu sein. Sie wolle mit „Herzen, Mund und Händen“ zum Gelingen des Jubiläums beitragen. Es werde weder einen Luther- noch einen Käßmann-Kult geben. Zu Luthers Schattenseiten gehöre etwa seine Haltung gegenüber den Juden sowie zu den Bauernkriegen. Dies werde man auch thematisieren.(Pressezitat)

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Margot Käßmann auf Kirchentag 2011 in Sondershausen(Thüringen).

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Margot Käßmann mit Friedrich Schorlemmer in Trinitatis-Kirche von Sondershausen.

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Friedrich Schorlemmer in Sondershausen.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/06/evangelische-kirche-und-adolf-hitler-martin-luther-und-die-juden/

Dulden können wirs nicht, nachdem sie bei uns sind und wir so ein Lügen, Lästern und Fluchen von ihnen wissen, damit wir uns nicht teilhaftig machen all ihrer Lügen, Flüche und Lästerung. Andererseits können wir weder  das unlöschliche Feuer des göttlichen Zorns, wie die Propheten sagen, löschen noch die Juden bekehren. Wir müssen mit Gebet und Gottesfurcht eine scharfe Barmherzigkeit üben (und sehen), ob wir nicht doch einige aus der Flamme und Glut erretten können. Rächen dürfen wir uns nicht: sie haben die Rache auf dem Halse, tausendmal ärger, als wir ihnen wünschen können. Ich will meinen treuen Rat geben: Erstens, daß man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder eine Schlacke davon  sehe ewiglich. Und dies soll man unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren tun, damit Gott sieht,  daß wir Christen  sind und so einen öffentliches Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch darein gewilligt haben. Denn was wir bisher aus Unwissenheit geduldet(ich habs selbst nicht gewußt!), wird uns Gott verzeihen.  Wenn wir aber nun, da wirs wissen, den Juden frei vor unserer Nase so ein Haus schützen und schirmen würden, in dem sie Christus und uns belügen, lästern, fluchen, anspeien und schänden(wie wir oben gehört haben), so wäre das ebensoviel, als täten wirs selbsts, und viel schlimmer, wie man wohl weiß…Zweitens, daß man auch ihre Häuser ebenso niederreiße und zerstöre. Denn sie treiben darin dasselbe wie in den Schulen. Dafür kann man sie etwa unter ein Dach oder einen Stall tun wie die Zigeuner, damit sie wissen, sie sind nicht Herrn in unserem Lande, wie sie prahlen, sondern im Elend und gefangen, wie sie ohn Unterlaß vor Gott über uns Zeter schreien und klagen. Drittens, daß man ihnen all ihre Gebetbüchlein und Talmudisten nehme, in denen diese  Abgötterei, Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.Viertens, daß man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete, weiterhin zu lehren. Denn dieses Amt haben sie mit vollem Recht verloren, weil sie die armen Juden mit dem Spruch Moses, V. Mos. 17,10ff., gefangen halten, welcher gebietet, sie sollen ihren Lehrern gehorchen bei Verlust Leibes und der Seele, wo doch Moses an der Stelle klar hinzusetzt:”Was sie dich lehren nach dem Gesetz des Herrn.  Dies übergehen die Bösewichter und mißbrauchen  den Gehorsam des armen Volkes nach ihrer Willkür gegen das Gesetz des Herrn, gießen ihm das Gift, diesen Fluch und die Lästerung ein – so wie uns der Papst mit dem Spruch, Matth.16,18:”Du bist Petrus” usw., gefangen hielt, daß wir alles glauben mußten, was er uns  aus seinem Teufelskopf vorlog und “trog und uns nicht nach Gottes Wort lehrte, worüber er das Amt zu lehren verloren hat. Fünftens, daß man den Juden das freie Geleit und das Recht auf die Straßen ganz aufhebe. Denn sie haben nichts auf dem Lande zu schaffen, weil sie weder Herrn noch Beamte noch Händler oder dergleichen sind; sie sollen daheim bleiben. Ich lasse mir sagen, ein reicher Jude solle jetzt auf dem Lande mit zwölf Pferden reiten(der will ein Kochab werden!) und wuchert Fürsten, Herrn, Land und Leute aus, so daß große Herrn scheel darauf sehen.  Werdet ihr Fürsten und Herrn  diesen Wucherern  nicht nach Recht und Ordnung die Straße verlegen, so könnte sich einmal eine Reiterei gegen sie sammeln, weil sie aus diesem Büchlein lernen werden, was die Juden sind, und wie man mit ihnen umgehen und ihr Unwesen nicht schützen soll. Denn ihr sollt und könnt sie auch nicht schützen, wenn ihr nicht vor Gott all ihrer Greuel teilhaftig werden wollt.  Was daraus Gutes kommen könnte, das wollet wohl bedenken und verhindern!Sechstens, daß man ihnen den Wucher verbiete und ihnen alle Barschaft und Kostbarkeiten in Gold und Silber nehme und lege es beiseite, es aufzuheben.  Und dies ist der Grund dafür: alles, was sie haben, haben sie uns, wie oben gesagt, durch ihren Wucher gestohlen und geraubt, weil sie sonst keinen anderen Erwerb haben. Dieses Geld sollte man dazu gebrauchen(und nicht für einen andern Zweck!), einem Juden, wenn er sich im Ernst bekehrt, davon je nach seiner Stellung hundert, zwei-oder dreihundert Gulden in die Hand zu geben, damit er für sein armes Weib und seine Kindlein einen Erwerb anfangen kann und die Alten oder Gebrechlichen damit unterhält. Denn so ein böse gewonnenes Gut  ist verflucht, wenn mans nicht mit Gottes Segen einer guten  und nötigen Verwendung zuführt…Siebentens, daß man den jungen, starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Hacke, Spaten, Rocken, Spindel in die Hand gebe und lasse sie ihr Brot verdienen  im Schweiß der Nasen, wie Adams Kindern auferlegt ist, I.Mos. 3, 19. Denn es taugt nichts, daß sie uns verfluchte Gojim im Schweiß unseres Angesichts wollten arbeiten lassen und sie, die heiligen Leute, wolltens hinter dem Ofen mit faulen Tagen, Sich-mästen und Protzen verzehren und darauf lästerlich prahlen, daß sie durch unsern Schweiß die Herrn der Christen wären, sondern man müßte ihnen das faulen Schelmenbein aus dem Rücken vertreiben. Fürchten wir aber, daß sie uns an Leib, Weib, Gesinde, Vieh usw. Schaden antun könnten, wenn sie uns dienen oder arbeiten sollten, weil es wohl zu vermuten ist, daß solche edle Herrn der Welt und giftige, bittere Würmer, an keine Arbeit gewöhnt, sich höchst ungern so tief unter die verfluchten Gojim demütigen würden,  so laßt uns bei der üblichen Klugheit der anderen Nationen bleiben wie (in) Frankreich, Spanien, Böhmen usw. und mit ihnen nachrechnen, was sie uns abgewuchert haben, und danach gütlich geteilt, sie aber für immer zum Lande ausgetrieben! Denn, wie gehört, Gottes Zorn ist groß über sie, daß sie durch sanfte Barmherzigkeit nur ärger und ärger, durch Schärfe aber wenig besser werden. Darum immer weg mit ihnen…”

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Laut Kirchenangaben lebten 1926 in Thüringen lediglich rund 6000 Juden. 1925 waren danach 92,5 Prozent der Thüringer Bevölkerung evangelisch, „und 0,2 % Israeliten”. In Brasilien gehörten zur Nazizeit die meisten evangelischen Pfarrer der NS-Pfarrschaft an und predigten Nazi-Ideologie, darunter die Rassenlehre sowie die Haltung gegenüber den Juden.

In keinem anderen Land außerhalb Deutschlands hatte die NSDAP damals mehr Mitglieder als in Brasilien. In der sowjetischen Besatzungszone war Luthers Buch über die Juden verboten worden – über mögliche Proteste von Mitgliedern der NS-Pfarrschaft, die in zahlreichen deutschen evangelischen Kirchen, teils mit SA-Uniform unterm Talar und Hakenkreuzfahnen neben dem Altar, Luthers Juden-Positionen verbreitet hatten, ist nichts bekannt. Auch in Brasilien gehörten die allermeisten evangelischen Pfarrer der NS-Pfarrschaft an.

http://www.welt.de/kultur/article1342594/Theologe_des_Judenhasses_machte_DDR-Karriere.html

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Ausriß: “Die Wende kommt – durchhalten. Sieg oder Sibirien!

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Juden, Apolda. Ausriß, Peter Franz, Der gewöhnliche Faschismus.

Peter Franz: Der gewöhnliche Faschismus.

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Ausriß.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/28/o-antisemitismo-nas-americas-der-antisemitismus-in-amerika-738-seiten-98-real-das-neue-werk-von-brasiliens-fuhrender-antisemitismus-expertin-maria-luiza-tucci-carneiro-diesmal-herausgeberin/#more-594

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/04/09/parabens-aracy-guimaraes-rosa-die-judenretterin-von-hamburg-wird-hundert/

Heiligenschein über dem Hakenkreuz: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/842756/

Wikipedia: “Der Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs gab gar am 16. November 1938 zu den Vorgängen eine Woche zuvor unter Bezugnahme auf ein Lutherzitat zu bedenken: „Kein im christlichen Glauben stehender Deutscher kann, ohne der guten und sauberen Sache des Freiheitskampfes der deutschen Nation gegen den jüdischen antichristlichen Weltbolschewismus untreu zu werden, die staatlichen Maßnahmen gegen die Juden im Reich, insbesonder die Einziehung jüdischer Vermögenswerte bejammern. Und den maßgebenden Vertretern von Kirche und Christentum im Auslande müssen wir ernstlich zu bedenken geben, daß der Weg zur jüdischen Weltherrschaft stets über grauenvolle Leichenfelder führt.. Er rief die Geistlichen dazu auf, „ihre Verkündigung in Predigt und Seelsorge so auszurichten, daß die deutsche Seele keinen Schaden leidet und den deutschen Menschen dazu verholfen wird, daß sie ohne falsche Gewissensbeschwerung getrost alles daran setzen, eine Wiederholung der Zersetzung des Reiches durch den jüdischen Ungeist von innen her für alle Zeiten unmöglich zu machen.[47]

http://de.wikipedia.org/wiki/Bullenhuser_Damm

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/12/19/mein-vater-lud-zur-nazizeit-die-eltern-und-geschwister-aus-deutschland-nach-london-ein-nahm-ihnen-die-passe-weg-sagte-ihr-seid-hier-nicht-in-den-ferien-ihr-lebt-jetzt-hier-so-rettete-er-allen-d/

http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnther_Schwarberg

http://www.freitag.de/2008/51/08510502.php

http://www.grin.com/e-book/53958/teufelskinder-teufelsglauben-und-antisemitismus-bei-martin-luther

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/?em_cnt=1618319&em_cnt_page=1

hakenkreuzdrachenneu.JPGSao Paulo, Ibirapuera-Park, siebziger Jahre.

Julius Streicher, Nürnberger Prozesse: http://deutsches-mittelalter-fruehe-neuzeit.suite101.de/article.cfm/martin_luther_und_die_juden

Beziehungen Bonn-Brasilia während der nazistisch-antisemitisch orientierten Militärdiktatur:

http://www.hart-brasilientexte.de/2013/11/19/brasiliens-folter-diktatur1964-1985-mit-wem-bundesausenminister-willy-brandt-damals-bilaterale-vertrage-unterzeichnet-das-massaker-an-stahlarbeitern-unter-gouverneur-jose-magalhaes-pinto/

Diktator Geisel und Bundeskanzler Schmidt.

Presidente Ernesto Geisel e Primeiro-Ministro Helmut Schmidt. Der Geisel-Besuch von 1978 in der Bundesrepublik Deutschland – Geisel nimmt im TV auch zur Kritik an der Menschenrechtslage Stellung – die offiziellen Dokumente Brasiliens: http://cafemundorama.files.wordpress.com/2011/11/rpeb_16_jan_fev_mar_1978.pdf

Kriegsverbrecher Gustav Wagner, stellvertretender Kommandant des KZ Sobibor, SS-Oberscharführer,  berüchtigter sadistischer Judenmörder – von der Militärdiktatur Brasiliens nicht ausgeliefert:   ”Die deutsche Regierung stellte ebenfalls ein Ersuchen auf Auslieferung, das jedoch vom Obersten Gerichtshof Brasiliens am 22. Juni 1979 zurückgewiesen wurde.” Wikipedia

Im KZ Sobibor wurden etwa 250000 Juden ermordet.

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Die Amtszeit von Diktator Ernesto Geisel: Das offizielle Foto vom angeblichen Selbstmord des jüdischen Journalisten und Fernsehdirektors von TV Cultura, Vladimir Herzog 1975 in einer Polizeizelle Sao Paulos – in Wahrheit wurde er totgefoltert.  Bundesrichter Marcio José de Morais annullierte 1979 das offizielle Dokument der Diktatur über die Todesursache, gab indessen Zeugen recht, denen zufolge Herzog gefoltert worden war, machte den Staat für den Tod des Juden verantwortlich. Unterdessen wurde ermittelt, daß unter Geisel gefolterte Regimegegner auch durch Giftspritzen umgebracht wurden, das Militär zahlreiche Oppositionelle außergerichtlich exekutierte.

1978 traf General Geisel in der Bundesrepublik Deutschland während des offiziellen Besuchs nach eigenen Angaben mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel, Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß, Hans Filbinger(Schloß Schwetzingen) zusammen, sprach etwa anderthalb Stunden mit Willy Brandt, Präsident der Sozialistischen Internationale. Geisel war zudem im Kernforschungszentrum Jülich. In Bonn auf einer Pressekonferenz auf die Menschenrechte angesprochen, sagte Geisel, Brasilien sorge sich außerordentlich um die Menschenrechte – obwohl oft in schlecht informierten oder tendenziösen Organen anderes gesagt werde. 

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Diktator  General Ernesto Geisel(Operation Condor), deutschstämmig, in dessen Amtszeit der jüdische Journalist Herzog gefoltert und ermordet wurde –  und Willy Brandt, Ausriß. General Geisel war 1976 zu einem offiziellen Besuch in Großbritannien.

Wikipedia:

A morte[editar]

Serviço Nacional de Informações recebeu uma mensagem em Brasília de que naquele dia 25 de outubro: “cerca de 15h, o jornalista Vladimir Herzog suicidou-se no DOI/CODI/II Exército“. Na época, era comum que o governo militar divulgasse que as vítimas de suas torturas e assassinatos haviam perecido por “suicídio”, fuga ou atropelamento, o que gerou comentários irônicos de que Herzog e outras vítimas haviam sido “suicidados” pela ditadura. O jornalista Elio Gaspari comenta que “suicídios desse tipo são possíveis, porém raros. No porão da ditadura, tornaram-se comuns, maioria até.”

Conforme o Laudo de Encontro de Cadáver expedido pela Polícia Técnica de São Paulo, Herzog se enforcara com uma tira de pano – a “cinta do macacão que o preso usava” – amarrada a uma grade a 1,63 metro de altura. Ocorre que o macacão dos prisioneiros do DOI-CODI não tinha cinto, o qual era retirado, juntamente com os cordões dos sapatos, segundo a praxe naquele órgão.14 No laudo, foram anexadas fotos que mostravam os pés do prisioneiro tocando o chão, com os joelhos fletidos – posição em que o enforcamento era impossível. Foi também constatada a existência de duas marcas no pescoço, típicas de estrangulamento15 5

Vladimir era judeu, e a tradição judaica manda que suicidas sejam sepultados em local separado. Mas quando os membros da Chevra kadisha – responsáveis pela preparação dos corpos dos mortos segundo os preceitos do judaísmo – preparavam o corpo para o funeral, o rabino Henry Sobel, líder da comunidade, viu as marcas da tortura. “Vi o corpo de Herzog. Não havia dúvidas de que ele tinha sido torturado e assassinado”, declarou.16 Assim, foi decidido que Vlado seria enterrado no centro do Cemitério Israelita do Butantã, o que significava desmentir publicamente a versão oficial de suicídio. As notícias sobre a morte de Vlado se espalharam, atropelando a censura à imprensa então vigente. Sobel diria mais tarde: “O assassinato de Herzog foi o catalisador da volta da democracia”.17

Anos depois, em outubro de 1978, o juiz federal Márcio Moraes, em sentença histórica, responsabilizou o governo federal pela morte de Herzog e pediu a apuração da sua autoria e das condições em que ocorrera. Entretanto nada foi feito.6 Em 24 de setembro de 2012, o registro de óbito de Vladimir Herzog foi retificado, passando a constar que a “morte decorreu de lesões e maus-tratos sofridos em dependência do II Exército – SP (Doi-Codi)”, conforme havia sido solicitado pela Comissão Nacional da Verdade.18

MühlhausenBuchenwald16

“Buchenwald Dachau Sachsenhausen”. Denkmal am Bahnhof von Mühlhausen. 

MühlhausenBuchenwald2

Was Heiko Maas(SPD) gegenüber der Jüdischen Allgemeinen 2016 über das BRD-Justizministerium einräumen muß – wer den Kalten Krieg gegen die DDR “juristisch” mitführte – Wertvorstellungen unter Adenauer, Schmidt, Brandt…:
Von den Führungskräften im Ministerium bis 1973 waren mehr als die Hälfte ehemalige NSDAP-Mitglieder, jeder fünfte war ein alter SA-Mann. Die Folgen dieser personellen Kontinuität waren fatal: Die Strafverfolgung von NS-Tätern wurde hintertrieben, die Diskriminierung einstiger Opfer fortgesetzt, und alte Gesetze wurden nur oberflächlich entnazifiziert. Das Justizministerium hat kein Recht geschaffen, sondern neues Unrecht.

In der jungen Bundesrepublik wurde Erfahrung in der Nazi-Justiz offenkundig höher geschätzt als rechtsstaatliche Haltung. Das führte dazu, dass der frühere Experte fürs »Rasserecht« anschließend fürs Familienrecht zuständig war und Juristen, die zahllose Todesurteile zu verantworten hatten, das Strafrecht der Bundesrepublik prägten.

Das erste Gesetz des Bundesjustizministeriums im Jahr 1949 war ein Amnestiegesetz! Auch in Einzelfällen wurde man aktiv. Max Merten war erst im Reichs- und dann zeitweilig im Bundesjustizministerium tätig. Dazwischen hatte er als Kriegsverwaltungsrat in Griechenland 45.000 Juden ausgeplündert und ihre Deportation nach Auschwitz organisiert. Das Ministerium sorgte dafür, dass der einstige Kollege in Deutschland straffrei blieb und holte ihn sogar aus griechischer Haft heraus.

Viele Opfer der Nazis wurden in der jungen Bundesrepublik erneut diskriminiert. Etwa Homosexuelle. Bis in die 1960er-Jahre beharrten die Juristen aus dem Ministerium auf dem Nazi-Paragrafen § 175 StGB – und sie taten das mit den Argumenten der Nazis: Der Röhm-Putsch habe ja gezeigt, wie gefährlich die Cliquen-Bildung unter schwulen Männern sei.

Viele Juristen passten sich nur äußerlich der demokratischen Erneuerung an; vom Geist des Grundgesetzes waren sie nicht durchdrungen. Sie waren bloße Rechtstechniker. Ab 1959 entwarfen sie etwa ein geheimes Kriegsrecht. Vom Grundgesetz nicht gedeckt, war darin sogar eine Neuauflage der berüchtigten »Schutzhaft« vorgesehen. Zitat

Die genannten Führungskräfte formten Nachfolger nach ihrem Bilde – überall im Staat, auch in Volksempfänger-Medien anzutreffen.

Heiko Maas(SPD) drückt sich um wichtige Schlußfolgerungen: Wenn u.a. die Strafverfolgung von NS-Tätern hintertrieben, die Diskriminierung einstiger Opfer fortgesetzt wurde, heißt dies: In der Bundesrepublik Deutschland wurde in sehr wichtigen Punkten nicht Recht gesprochen, sondern Unrecht(“Maas:”Das Justizministerium hat kein Recht geschaffen, sondern neues Unrecht”),handelte es sich somit bei der BRD nicht um einen Rechtsstaat, sondern  um einen Unrechtsstaat…

Auffällig ist u.a., daß die deutsche Regierung derartige Einschätzungen des eigenen Justizministeriums so viele Jahrzehnte herauszögerte, sogar mehr als 25 Jahre nach dem Anschluß von 1990. Zu einem früheren Zeitpunkt, beispielsweise 1989, hätten sich u.a. weit mehr Ostdeutsche gut daran erinnert, derartiges bereits in der DDR-Schule, selbst der Dorfschule, über westdeutsche Ministerien, über den mit Nazis und Kriegsverbrechern stark durchsetzten westdeutschen Staatsapparat gelernt zu haben. 


Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 13. August 2008 um 13:42 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Berichte aus Bad Frankenhausen abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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