Zeitzeugen aus Oldisleben und Umgebung

Westliche Rohstoffinteressen und der kalte/heiße Krieg. Gerd Bonk, ostdeutscher Geophysiker, Mosambik-Experte. (Mosambik-Dossier 3) „Deutsches Kapital am Kap“.

Freitag, 10. Januar 2020 von Klaus Hart

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Terroristen westlicher Geheimdienste, laut Faktenlage. Figuren wie diese stoppten Erntegut-LKW, schlugen die unbewaffneten Fahrer, Beifahrer tot, fackelten die mit dringend in den Städten benötigten Nahrungsmitteln(Mais, Gemüse etc.) beladenen Laster ab. Foto in Unango aufgenommen 1984 von Manfred Grunewald, Frauenprießnitz/Thüringen.

„Renamo-Dissidenten-Bewegung“ – arg beschönigender Begriff des Außenministeriums von Österreich im „Jahrbuch der österreichischen Außenpolitik“ von 1987…

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Mosambik, Terrorjahr 1984. Die BND-gestützte Renamo bringt mit ihren Terroranschlägen auch die Lebensmittelversorgung zum Erliegen, löst Hungersnöte aus. Die Frelimo-Regierung verteilt auf diese Weise Nahrungsmittel an die Bevölkerung, wie DDR-Geophysiker Gerd Bonk im Erdgas-Erkundungsgebiet Pande-Temane festhielt. “Wir beobachteten überall Hungersnot – doch es gab gleichzeitig Hoffnung auf große Erdgasfunde. Doch dann tötete ein Renamo-Sprengsatz zwei unserer Geophysiker, Bernd Kaiser und Detlef Klorek – und die Erkundungsarbeiten kamen zum Stillstand. Die jungen Leute in der Essenschlange hatten zudem die Hoffnung, bei uns im nahen DDR-Camp als Meßgehilfen angestellt zu werden. Die Renamo hat all das zunichte gemacht.”

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Gegenüber der Website schildert der Arzt des Camps von VEB Geophysik Leipzig/Limex in Vilanculos , wie er das Attentat erlebt, bei dem die zwei DDR-Vermesser Bernd Kaiser und Detlef Klorek sowie deren zwei mosambikanische Mitarbeiter ermordet werden. „

„Wir waren etwa 20 DDR-Experten in dieser Erkundungsmission. Die Männer sind für seismische Vermessungen jeden Tag mit mehren Jeeps rausgefahren. Eines Tages fehlte ein Jeep, kam nicht zurück. Wir warteten und warteten, schickten schließlich Suchtrupps los. Mosambikanische Regierungssoldaten, die für unseren Schutz im Camp stationiert waren, fuhren noch weiter als unsere Leute. Dann kamen erste Informationen: Landbewohner hatten den Knall einer Explosion gehört, der Jeep sei auf eine Mine gefahren. Gegen Mitternacht brachten Einheimische direkt zu mir als zuständigem Arzt, was von den Körperteilen meiner Kollegen noch übrig war. Da war kein Leben mehr festzustellen. Über die stark verschmutzten sterblichen Überreste hatten sich bereits Ameisen, Termiten hergemacht – also mußte ich durch Desinfektionsmittel zuerst den Insektenfraß stoppen. Dann mußte ich herausfinden und entsprechend sortieren, welche Körperteile, Fleischklumpen zu welchem der beiden Kollegen gehörten. Es war eine schreckliche, tief bedrückende Aufgabe – die Erinnerung daran verfolgt mich auch heute noch bis in den Schlaf. Am Tag nach dem Attentat wurden die sterblichen Überreste in die Hauptstadt Maputo transportiert, wurde das Camp sofort geschlossen, sind wir alle unverzüglich in die DDR zurückgekehrt.“

War den DDR-Experten die Gefahr nicht bewußt, von der BND-gestützten Renamo attackiert zu werden?

„Wir wurden darüber informiert, daß wir Ziel von solchen Anschlägen werden konnten – aber man hat das garnicht so ernst genommen, hat das nicht verinnerlicht. Wie das so ist – man denkt, es wird einem schon nichts passieren. Wir haben uns über diese Risiken keine weiteren Gedanken gemacht. Das Attentat kam daher für uns wirklich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenige Tage zuvor war ich selber noch mit den Trupps rausgefahren, um deren Arbeit kennenzulernen. Da stand ich auf der Ladefläche eines LKW – keiner von uns schaute da, ob uns womöglich jemand auflauert. Ich denke aber, die mosambikanischen Soldaten wußten genau, daß sie jederzeit ins Fadenkreuz der Renamo geraten konnten.“

Dem Arzt zufolge ging die guttrainierte Renamo landesweit sehr zielgerichtet und planmäßig vor.

Die Renamo hat in ganz Mosambik sehr genau beobachtet, wann und wo DDR-Entwicklungshelfer entlangfahren. Denn die Mine lag genau in einer Reifenspur – an einer Stelle, wo man gar nicht nach rechts oder links ausweichen konnte. Das haben die sich genau ausgerechnet.“

Gerd Bonk fügte hinzu: „Die Mine war in die linke Spur gelegt worden, weil die Renamo wußte, daß die DDR-Vermesser stets links als Fahrer saßen.“ Eine Mine in der rechten Spur hätte zuallererst „nur“ einen Mosambikaner getroffen. „Das Attentat ereignete sich 17 Kilometer vom Camp entfernt.“

„Teile unserer Mitarbeiter war in Baracken in den Dünen am Strand untergebracht. Dort haben wir eine Trauerfeier für die Ermordeten abgehalten. Danach saßen alle noch am Strand – der Arzt und ich haben auf dem Akkordeon Trauerlieder gespielt.“

Bonk äußerte sich  auch zu den wirtschaftlich-politischen Aspekten. Für Limex habe der Stopp des Vilanculos-Projekt einen Riesenschaden, dazu hohe Devisenverluste bedeutet.  „Wir hatten im November mit den Erkundungsarbeiten auf der Basis des bilateralen Seismik-Vertrages begonnen – doch im Februar 1984 war schon alles zuende. Der Vertrag war der Frelimo-Regierung sehr wichtig – sie erkundigte sich permanent nach dem Stand der Arbeiten, sogar Minister besuchten immer wieder das Camp. Nicht weniger wichtig nahm die DDR den Vertrag – immer wieder reisten Minister und hohe Wirtschaftsfunktionäre zu Verhandlungen, Sitzungen des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses nach Maputo. Ich selbst hatte mehrfach Unterredungen mit Klaus-Dieter Uhlig aus dem DDR-Ministerium für Außenhandel, der zu den wichtigsten Mitarbeitern von Alexander Schalck-Golodkowski zählte.“

Da die u.a. von Gerd Bonk geleiteten Projekte dem Vernehmen nach sehr erfolgreich anliefen, mußte aus Sicht von DDR-Entwicklungshelfern vom Westen, von der Renamo mit allen Mitteln ein Stopp der Vorhaben erreicht werden. Es durfte nicht sein, daß die DDR in Mosambik ihre wirtschaftlichen Ziele erreicht, nötig gebrauchte Devisen erwirtschaftet, Nutzen aus der Zusammenarbeit mit Mosambik bei der Förderung von Erdöl, Erdgas und anderen Bodenschätzen zieht, dies der DDR-Bevölkerung zugute kommt.

„Es ging um Dinge von hohem strategischem Wert“, so Bonk. „Die riesigen Erdgasvorkommen in der Region von Vilanculos wurden als eine Art wirtschaftliches Allheilmittel für Mosambik angesehen“. Nachdem die DDR-Entwicklungshelfer mit SS-Methoden, der Taktik der verbrannten Erde aus dem Land vertrieben wurden, hatten der Westen, seine Rohstoffkonzerne freies Feld. „Die Renamo ist ja gnadenlos in die Dörfer reingegangen, hat die Leute erschlagen, die Schulen abgebrannt. Ich hatte mein Büro in der Hauptstadt Maputo, betrieb noch bis zum Februar 1986 die Rückholung der nicht von der Renamo vernichteten Limex-Technik aus dem Kriegsgebiet. Vieles haben wir dortlassen, aufgeben müssen. Wenn ich mit meinen Mitarbeitern in Vilanculos damals übernachtete, mußten wir sogar auf Überfälle von See her gefaßt sein. Gleichzeitig  bekam ich aus nächster Nähe in Maputo  mit, wie feine Herren  mit Aktenkoffern tagtäglich im mosambikanischen Wirtschaftsministerium vorstellig wurden. Das waren Leute von Esso, Exxon, Amoco – die sich just um unser Projekt von Vilanculos bemühten.“

Gerd Bonk war Leiter von zwei wichtigen Projekten – neben dem von Vilanculos auch Steinkohle-Erkundung in Moatize. „Wir waren alle jüngere Leute, haben die Warnungen vor Terroranschlägen nicht so ernst genommen – ich hätte jederzeit auf eine Mine treten können. Die DDR-Entwicklungshelfer waren hochmotiviert, wollten ihre Projektziele erreichen, wollten was erleben und natürlich auch Geld verdienen. Die Leute wollten was von Afrika sehen, in ihrem Beruf etwas Interessantes auf die Beine stellen. In Moatize explodierten dann ebenfalls Renamo-Bomben, wurden zudem Gleise, Züge gesprengt, konnten wir unsere Ausrüstungen aus dem Hafen von Beira nur mit riesigen Schwierigkeiten, großen Wartezeiten nach Moatize transportieren. Auch dort mußte ich schließlich ebenfalls den Projektstopp, die Rückführung der DDR-Experten anordnen.

In Vilanculos warteten alle Bewohner auf die Ankunft unseres Geräte-Konvois, weil wir auch dringend benötigte Lebensmittel mitbrachten. Wegen der vielen Attentate auf den Konvoi, bei dem etwa zwanzig Soldaten ermordet wurden, kam der Konvoi um Wochen verspätet an. Es war eine enorme Tragik. Ein LKW mit Bohrgerät war zudem auf eine Mine gefahren, blieb liegen. Damals gab es tagtäglich soviele Tote in diesem Land.“

 

 

Dr. Fritz Schmidt, Leiter von DDR-Landwirtschaftsprojekten in Mosambik:„Es war ein politischer Massenmord, dass man unsere Kollegen vor 35 Jahren im Auftrag bestimmter Mächte hingerichtet hat, als sie ihrer friedlichen Arbeit zum Wohle der Menschen in Mosambik nachgingen. Unsere Erfolge in Mosambik müssen wohl doch grösser und für eben diese Mächte unerträglich gewesen sein, als es das unselige Video des mdr anlässlich eures Besuchs glauben machen wollte. Sie meinten, uns nur mit mehrfachem, feigen Mord stoppen zu können, was sie ja auch damals vermocht haben. Aber Mord verjährt nicht.“

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